Die während des Schweißens auftretenden Temperaturzyklen (Temperatur-Zeit-Verlauf) haben maßgebenden Einfluß auf die mechanischen Eigenschaften im Schweißgut und in der Wärmeeinflußzone. Die Temperaturzyklen ihrerseits sind von den Schweißbedingungen abhängig. Unter Schweißbedingungen versteht man dabei eine Vielzahl von Einflußgrößen wie z.B. Lichtbogenspannung, Schweißstrom, Schweißgeschwindigkeit, Arbeitstemperatur, Blechdicke, Schweißverfahren und Nahtform[1]. 

Der während eines Lichtbogendurchgangs an einer definierten Stelle auftretende Temperatur-Zeit-Verlauf setzt sich aus einer kurzen Aufheizphase und einer im allgemeinen wesentlich längeren Abkühlphase zusammen. Bei Annäherung des Lichtbogens steigt die Temperatur schnell auf einen Höchstwert an und fällt nach Durchgang des Lichtbogens wieder ab, wobei sich die Abkühlgeschwindigkeit stetig verringert. Während im Schweißgut überall gleiche Spitzentemperaturen auftreten, werden die verschiedenen Bereiche der Wärmeeinflußzone auf unterschiedliche Spitzenwerte erwärmt; ihre Höhe nimmt mit wachsendem Abstand von der Schmelzzone ab[2].

Die mechanischen Eigenschaften des Schweißgutes werden primär bestimmt durch dessen chemische Zusammensetzung und die Geschwindigkeit, mit der die Abkühlung aus der flüssigen Phase erfolgt. Maßgebend für die Auswirkungen von Schweißtemperaturzyklen auf die mechanischen Eigenschaften in der Wärmeeinflußzone sind die beim Schweißen erreichte Spitzentemperatur, die Verweildauer im oberen Austenitgebiet und die Geschwindigkeit, mit der die Abkühlung aus dem Austenitgebiet stattfindet[2]. Erfahrungsgemäß führen hohe Spitzentemperaturen zu den ungünstigsten Gefügezuständen und mechanischen Eigenschaften. Es reicht deshalb aus, die Temperaturzyklen mit der höchsten Spitzentemperatur zu betrachten, welche unmittelbar neben der Schmelzlinie im Grobkornbereich der Wärmeeinflußzone auftreten. Ihre Spitzentemperatur liegt in Höhe der Schmelztemperatur des jeweiligen Werkstoffes. Man kann somit davon ausgehen, daß die mechanischen Eigenschaften in der Wärmeeinflußzone vom Abkühlverlauf nach dem Lichtbogendurchgang bestimmt werden. 

Zur Kennzeichnung von Schweißtemperaturzyklen wählt man im allgemeinen anstelle der Abkühlgeschwindigkeit deren reziproken Wert, nämlich die Zeit, die zum Durchlaufen eines bestimmten Temperaturintervalls benötigt wird. Bei der Behandlung von Werkstofffragen hat sich die Abkühlzeit t8/5 bewährt. Das ist die Zeit, die während des Abkühlens einer Schweißraupe und ihrer Wärmeeinflußzone zum Durchlaufen des Temperaturbereichs von 800 °C bis 500 °C benötigt wird.

Aus der allgemeinen Differentialgleichung der Wärmeleitung in festen Körpern lassen sich Gleichungen ableiten, die den Temperaturverlauf im Schweißnahtbereich als Funktion von Ort und Zeit beschreiben. Nach entsprechender Transformation eignen sich diese Gleichungen zur Berechnung der beim Abkühlen des Schweißgutes zum Durchlaufen des Temperaturbereiches von 800 °C bis 500 °C benötigten Zeit t8/5[3].

Beim Berechnen der Abkühlzeiten ist zwischen drei- und zweidimensionaler Wärmeableitung zu unterscheiden. Beim Schweißen verhältnismäßig dicker Werkstücke erfolgt die Wärmeableitung dreidimensional. Die über den Lichtbogen eingebrachte Wärme kann in der Werkstückebene und zusätzlich in Richtung der Werkstückdicke abfließen. Diese wirkt sich daher nicht auf die Abkühlzeit aus. Bei zweidimensionaler Wärmeableitung erfolgt der Wärmefluß dagegen ausschließlich in der Werkstückebene. Die Werkstückdicke ist in diesem Fall maßgebend für die zur Wärmeableitung zur Verfügung stehende Querschnittsfläche und hat damit einen ausgeprägten Einfluß auf die Abkühlzeit[4]. 

Beim Schweißen verhältnismäßig dicker Bleche (dreidimensionale Wärmeableitung) berechnet sich die Abkühlzeit t8/5 nach folgender Gleichung[5]: 

Formel (dreidimensionale Wärmeableitung):

t8/5  =  (6700 - 5 * T0) * Q * [( 1 / (500 - T0)) - (1 / (800 - T0))] * F3 

mit 

  • Q: Wärmeeinbringen 
  • T0: Vorwärmtemperatur 
  • F3: Nahtfaktor bei dreidimensionaler Wärmeableitung 

Die Abkühlzeit ist also bei dreidimensionaler Wärmeableitung der eingebrachten Wärme proportional und nimmt mit der Vorwärmtemperatur zu.

Beim Schweißen von Erzeugnissen mit verhältnismäßig geringer Dicke liegt zweidimensionale Wärmeableitung vor. Die Abkühlzeit t8/5 berechnet sich nach folgender Gleichung[5]:

Formel (zweidimensionale Wärmeableitung):

t8/5  =  (4300 - 4,3 * T0) * 105 * (Q2 / d2) * [( 1 / (500 - T0))2 - (1 / (800 - T0))2] * F2 

mit      

  • Q: Wärmeeinbringen 
  • T0: Vorwärmtemperatur 
  • d: Blechdicke 
  • F2: Nahtfaktor bei zweidimensionaler Wärmeableitung 

Die Abkühlzeit bei zweidimensionaler Wärmeableitung nimmt also mit dem Quadrat der Streckenenergie und mit der Vorwärmtemperatur zu und ist dem Quadrat der Werkstückdicke umgekehrt proportional. 

Das Wärmeeinbringen Q kann dabei wie folgt berechnet werden[6], [7]. 

Q = eta * E = eta * (U * I) / v 

mit 

  • Q: Wärmeeinbringen 
  • E: Streckenenergie 
  • eta: thermischer Wirkungsgrad 
  • U: Lichtbogenspannung 
  • I: Schweißstrom 
  • v: Schweißgeschwindigkeit 

Für den thermischen Wirkungsgrad von Schweißprozessen (eta) gelten soweit nicht anders vorgegeben Werte entsprechend nachstehender Tabelle[5]. 

Thermischer Wirkungsgrad von Schweißprozessen
ProzeßFaktor eta
Unterpulverschweißen1,0
Lichtbogenhandschweißen mit Stabelektrode0,8
Metall-Aktivgasschweißen (MAG)0,8
Metall-Inertgasschweißen (MIG)0,8
Wolfram-Inertgasschweißen (WIG)0,6

Die Zahl der denkbaren Nahtarten ist so groß, daß eine quantitative Klärung des Einflusses aller auf die Abkühlzeit mit extrem hohem Aufwand verbunden wäre. Deshalb sind in untenstehender Tabelle nur die Nahtfaktoren für die gebräuchlichsten Nahtarten bei dreidimensionaler Wärmeableitung (F3) und zweidimensionaler Wärmeableitung (F2) zusammengefaßt[8]. Es zeigt sich, daß vor allem bei zweidimensionaler Wärmeableitung die Abkühlzeiten von Kehlnähten sehr viel niedriger sind als die von Auftragraupen. Der Wert des Nahtfaktors ist dabei abhängig vom Verhältnis der Streckenenergie zur Blechdicke. 

Nahtfaktoren
NahtartF3F2
Auftragraupe1,01,0
1. und 2. Kehlnaht am T- oder Kreuzstoß0,670,45 bis 0,67
3. und 4. Kehlnaht am T- oder Kreuzstoß0,670,3 bis 0,67
Kehlnaht am Eckstoß0,670,9
Kehlnaht am Überlappstoß0,670,7
Wurzellage von V-Nähten (Öffnungswinkel 60°, Stegabstand 3 mm)1,0 bis 1,2rd. 1,0
Wurzellage von Doppel-V-Nähten (Öffnungswinkel 50°, Stegabstand 3 mm)0,7rd. 1,0
Mittellagen von V- und Doppel-V-Nähten0,8 bis 1,0rd. 1,0
Decklagen von V- und Doppel-V-Nähten0,9 bis 1,01,0
I-Naht, 'Lage-Gegenlage-Schweißung'-1,0

Wenn die jeweilige Werkstückdicke in der Nähe der Übergangsblechdicke (s. u.) liegt, entspricht der Wert des Nahtfaktors F2 dem von F3. Je kleiner die Werkstückdicke im Vergleich zur Übergangsblechdicke ist, um so deutlicher unterscheiden sich F2 und F3[4]. 

Die Blechdicke beim Übergang von drei- zu zweidimensionaler Wärmeableitung bezeichnet man als Übergangsblechdicke dü. Durch Gleichsetzen der Formeln zur Berechnung der Abkühlzeit t8/5 für drei- und zweidimensionale Wärmeableitung ergibt sie sich zu:

dü  =  [((4300 - 4,3 * T0) / (6700 - 5 * T0)) * 105 * Q * (( 1 / (500 - T0)) + (1 / (800 - T0)))]0,5 

mit 

  • Q: Wärmeeinbringen 
  • T0: Vorwärmtemperatur 

Bei der Berechnung von Abkühlzeiten ist zu beachten, daß die den Gleichungen zugrundeliegenden Annahmen häufig nicht genau erfüllt sind. Berechnete Werte der Abkühlzeit können deshalb von den wirklich auftretenden um rd. 10% abweichen. Mit einem größeren Fehler kann die Berechnung im Übergangsbereich von zwei- zu dreidimensionaler Wärmeableitung behaftet sein. In kritischen Fällen empfiehlt es sich, die Abkühlzeit durch Messung zu kontrollieren[5]. 

Schrifttum: 
[1] Degenkolbe, J., Uwer, D., und Wegmann, H. G.:
Kennzeichnung von Schweißtemperaturzyklen hinsichtlich ihrer Auswirkung auf die mechanischen Eigenschaften von Schweißverbindungen durch die Abkühlzeit t8/5 und deren Ermittlung. Thyssen Technische Berichte, Heft 1/85, S. 57 - 73 
[2] Uwer, D. und Degenkolbe, J.:
Temperaturzyklen beim Lichtbogenschweißen - Berechnung der Abkühlzeiten. Schweißen und Schneiden, Jahrgang 24 (1972), Heft 12, S. 485 - 489 
[3] Uwer, D. und Degenkolbe, J.:
Temperaturzyklen beim Lichtbogenschweißen - Einfluß des Wärmebehandlungszustandes und der chemischen Zusammensetzung von Stählen auf die Abkühlzeit. Schweißen und Schneiden, Jahrgang 27 (1975), Heft 8, S. 303 - 306 
[4] Uwer, D.:
Rechnerisches und grafisches Ermitteln von Abkühlzeiten beim Lichtbogenschweißen. Schweißen und Schneiden, Jahrgang 30 (1978), Heft 7, S. 243 - 248 
[5] Stahl-Eisen-Werkstoffblatt 088 Beiblatt 2:
Schweißgeeignete Feinkornbaustähle - Richtlinien für die Verarbeitung, besonders für das Schmelzschweißen; Ermittlung der Abkühlzeit t8/5 zur Kennzeichnung von Schweißtemperaturzyklen. 4. Ausgabe, Oktober 1993, Verlag Stahleisen, Düsseldorf 
[6] Uwer, D. und Wegmann, H. G.:
Temperaturzyklen beim Lichtbogenschweißen - Einfluß von Schweißverfahren und Nahtart auf die Abkühlzeit. Schweißen und Schneiden, Jahrgang 28 (1976), Heft 4, S. 132 - 136 
[7] DIN EN 1011-1: Empfehlung zum Schweißen metallischer Werkstoffe, Teil 1: Allgemeine Anleitungen für Lichtbogenschweißen, April 1998, Beuth Verlag GmbH, Berlin 
[8] Uwer, D. und Degenkolbe, J.: Kennzeichnung von Schweißtemperaturzyklen hinsichtlich ihrer Auswirkung auf die mechanischen Eigenschaften von Schweißverbindungen. Stahl und Eisen 97 (1977), Nr. 24, S. 1201 - 1207